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Mieczyslaw Weinberg (1919-1996)
Klaviertrio op.24
Mit weiteren Werken von: Dmitri Schostakowitsch (1906-1975)
Mitwirkende: Kateryna Kasper, Trio Vivente

+Jüdische Lieder op. 13 für Sopran & Klaviertrio
+Dmitri Schostakowitsch: Klaviertrio Nr. 1 op. 8; 7 Romanzen op. 127 für Sopran & Klaviertrio

Künstler: Kateryna Kasper, Trio Vivente

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Klassik-Heute.de, 16.02.2022

CD-Besprechung: Mieczysław Weinberg - Dmitri Shostakovich - Piano Trios - Songs
Als Ende Oktober 1967 Schostakowitschs Sieben Romanzen nach Worten von Alexander Blok für Sopran und Klaviertrio uraufgeführt wurden (mit so namhaften Interpreten wie Galina Wischnewskaja, David Oistrach und Mstislaw Rostropowitsch), wollte Schostakowitsch eigentlich selbst den Klavierpart übernehmen. Da er sich aber kurz zuvor ein Bein gebrochen hatte, sprang sein Freund und Komponistenkollege Mieczysław Weinberg für ihn ein. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint das Konzept des Trios Vivente, ihre Einspielung der Romanzen-Suite als eine Art Doppelporträt von Schostakowitsch und Weinberg zu gestalten, als sehr stimmig. Dies gilt umso mehr, da beide Komponisten eine jahrzehntelange Freundschaft und Kooperation im Sinne von künstlerischem Austausch und wechselseitigen Einflüssen verband – wohlgemerkt eine Tatsache, die erst im Laufe der letzten rund zwanzig Jahre so wirklich zur Kenntnis genommen wurde, denn vorher fristete Weinbergs Musik ein diskographisches Schattendasein.

Schlanke, lebhafte Interpretationen
Beginn und Zentrum dieser CD ist also Schostakowitschs Romanzen-Suite mit der ausgezeichneten jungen Sopranistin Kateryna Kasper; eine hochklassige, den tendenziell meditativen Duktus von Schostakowitschs Spätwerk sehr gut nachvollziehende Einspielung. Im Vergleich zu den Interpreten der Uraufführung musiziert das Trio Vivente etwas schlanker, was gut mit dem helleren, silbrigen Timbre Kateryna Kaspers korrespondiert. Die bohrende Intensität des Sturms (Nr. 5) oder die Transzendenz des Schlusses, von Wischnewskaja und ihren Partnern meisterhaft zu Geltung gebracht, erreicht die Neueinspielung zwar nicht ganz, und doch handelt es sich um eine sehr gute, fein gearbeitete und durchdachte Interpretation dieses Zyklus. Entschiedene Meriten hat auch die Einspielung von Schostakowitschs einsätzigem Klaviertrio Nr. 1 c-moll op. 8, ein Werk des gerade einmal 17-jährigen Schostakowitsch, in dem sich sich der junge Komponist auf der Schwelle zwischen Einflüssen, die man später bei ihm nicht mehr findet (Rachmaninow, Skrjabin, Impressionismus), und seinem ureigenen Stil zeigt (das Hauptthema findet man i.W. im Kopfsatz der Ersten Sinfonie wieder). Nicht alles ist bereits so gelungen wie in späteren Werken; trotz deutlichen Bemühens um motivisch-thematische Einheit läuft das Stück tendenziell Gefahr, etwas weitschweifig und episodisch zu wirken. Dieser Problematik weiß das Trio Vivente mit einem lebhaften, Kontraste und Entwicklungen betonenden Ansatz zu begegnen, und so gespielt liefert das Werk einen faszinierenden Einblick in Schostakowitschs schöpferische Genese.

Frühe Zeugnisse von Weinbergs Komponistenpersönlichkeit
Spiegelbildlich zu Schostakowitsch ist auch Weinberg mit einem Liederzyklus und seinem (einzigen) Klaviertrio vertreten. Dabei wurden die Jüdischen Lieder op. 13 von Alexander Oratovski für Sopran und Klaviertrio eingerichtet; ein gelungenes, farbiges (dabei aber dezent bleibendes) Arrangement. Fast alle Lieder sind knapp und bewusst naiv-hintergründig gehalten; eine Ausnahme bildet lediglich das letzte Lied, die Klage eines Waisenkindes, und so erscheint ganz am Ende des Zyklus die Wiederaufnahme der anfänglichen Vokalisen gezeichnet, gewandelt im Charakter. Bemerkenswert ist, wie sehr man in diesem ebenfalls recht frühen Werk bereits den charakteristischen Tonfall Weinbergs nachvollziehen kann (man vergleiche diesen Zyklus etwa mit der groß angelegten Sinfonie Nr. 8). Weinbergs Klaviertrio a-moll op. 24, mittlerweile wohl eines seiner populärsten Werke, entstand nur zwei Jahre später, aber damit nach seiner Begegnung mit Schostakowitsch und nach seinem Umzug nach Moskau. Natürlich kann man dieses Werk als Reaktion auf Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 verstehen, aber nicht als Kopie, sondern im Sinne einer künstlerischen Auseinandersetzung (was übrigens auch der Vergleich mit den Jüdischen Liedern zeigt: hier spricht eindeutig dieselbe Komponistenpersönlichkeit). Viele der bereits genannten Tugenden des Trio Vivente finden sich auch in der Interpretation dieses vielgestaltigen, für Weinberg fast schon ungewöhnlich extrovertierten Werks wieder, eine vitale, agile Lesart, die aber nicht über Gebühr forciert wirkt, sodass z.B. auch im anfänglichen Fortissimo des Präludiums Differenzierungen möglich bleiben.

Sehr schöne Neuerscheinung
Abgerundet wird die erfreuliche Produktion durch ein insgesamt sehr gutes Beiheft, das dem Hörer eine ganze Reihe von Anhaltspunkten und Hinweisen zum Nachvollziehen des musikalischen Geschehens liefert. Dass der (verschollene) Schluss der Klavierstimme von Schostakowitschs Trio Nr. 1 von seinem Schüler Boris Tischtschenko (seinerseits ein vorzüglicher Komponist) ergänzt wurde, hätte allerdings ruhig Erwähnung finden dürfen. Ein echter Lapsus ist auf S. 21 passiert: hier ist Weinberg keinesfalls zusammen mit Schostakowitsch zu sehen, sondern mit Georgi Swiridow, der großartige Vokalmusik (und zeitgleich mit Weinberg übrigens auch ein Klaviertrio von durchaus ähnlicher Faktur) komponiert hat. Alles zusammen eine sehr schöne Neuerscheinung. Holger Sambale

musicweb-international.com

CD-Besprechung: Mieczysław Weinberg - Dmitri Shostakovich - Piano Trios - Songs
One might wonder what inspired CPO to pair these composers, other than the fact that each contributed a song cycle and a piano trio here. But from 1943 onwards they were firm friends and considerable admirers of each other’s music. However well one knows their compositions, it may sometimes be difficult to be certain which of them wrote a piece that one is hearing for the first time; what makes it so is a pertinent question. It has been said, cruelly and without foundation, that Weinberg became a clone of his older friend and mentor. Anyone who knows and appreciates their music will reject this oft-repeated calumny, because either composer has his highly individual style, developed independently. There have been similarities, not the least because the two often influenced and even challenged each other, but they were no copycats.

Shostakovich, half a generation older, was Russian. Weinberg, a Polish Jew, was 24 when he met the older composer, and had already written a good deal of music. Take the Jewish motifs, easily explained in Weinberg’s music. Shostakovich, a Gentile, closely identified with the plight of Jews: antisemitism in Tsarist Russia changed little after the Soviet revolution. Given that he knew how the Soviet people also suffered, his Jewish-inspired music may have been a musical metaphor for the overall political situation.

Shostakovich wrote his Seven Romances in 1967. He had had frightening health problems, involving a heart attack and paralysis, and could not work for many months. It was a selection of verses by his much-admired poet Alexander Blok that got the creative juices running again. This clever setting points to the end of the cycle by introducing the instruments one at a time: the cello, then the piano, then the violin. In the next three Romances, there are cello and piano, then violin and piano, then cello and violin. Only in the last song is the soprano accompanied by all three.

Isaac Glikman, one of Shostakovich’s oldest and dearest friends wrote: “In my opinion, the Blok cycle reveals the anguish of Shostakovich’s soul with unique clarity and poignancy. The two tragic songs – Gamayun, Bird of Prophesy and Oh What Rage Beyond the Window[The Storm] – form a contrast with the glorious lyricism of the other songs, while the last one, At Night When Agitation Stills [Music] has an overwhelmingly radiant beauty.” Glikman also wrote, after hearing Shostakovich play him the pieces, that they left him “with an unforgettable impression [that] Shostakovich had written his confession, maintaining hope and belief in the future despite his sufferings”. The booklet notes explain that the songs deal with “loneliness, loss and reminiscences of past happiness” as well as “tyranny (No. 2), urbanisation (No. 4) and solidarity (No. 5)”. They are very powerful, made all the more so by the spare instrumentation.

Alexander Blok had at first embraced the revolution in Russia, but later became embittered and distanced himself from the Soviet regime. Shostakovich had been similarly affected, and yet yielded to the pressure and joined the Communist Party in 1960. The cycle was composed when the country was preparing to celebrate the 50th anniversary of the revolution. That alone should reveal the composition’s significance, and explain why Glikman wrote about confession.

Turning the telescope round, we have one of Shostakovich’s earliest works, written when he was a youth of 17, even before his first symphony catapulted him to fame in 1925. Remarkably, we can hear many elements characteristic of the composer Shostakovich became. He already knew how to tug at the heartstrings with achingly beautiful melodies, and to suggest a pattern of notes which he does not necessarily follow, choosing instead to have the music lead the listener to unexpected places. He enjoys building up to an explosive point, only to collapse this energy with the gentlest tune and then begin to build the energy again. For one so young, it is a mature work, satisfying at all levels. It rewards the listener the more one hears it.

Weinberg may have felt impelled to express his Jewish heritage in much of his music, perhaps not because of any highly developed sense of religiosity but for the same historical reasons as Shostakovich. Weinberg escaped the Nazis, fleeing to Minsk in 1939 and then to Tashkent in 1941, ending up in Moscow in 1943. He later learned that his parents and younger sister had perished in the Holocaust.

Jewish Songs Op. 13, written in 1943, along with the Jewish Songs after Shmuel Halkin Op. 17, became the trigger for Shostakovich’s cycle From Jewish Folk Poetry Op. 79. They are sung in Yiddish – the texts are in the booklet – and can be seen as a powerful expression of Weinberg’s need to identify with his heritage. The songs are mainly upbeat, with echoes of klezmer, but The Orphan’s Letter is very sad, and low registers are reminiscent of Shostakovich, pointing out the two composers’ similar styles.

Weinberg composed his Piano Trio after he had moved to Moscow, possibly at Shostakovich’s invitation. The opening notes are so Shostakovian that one could be forgiven for thinking it was the older composer’s music one were hearing. But the similarity soon disappears, and the music becomes more typical Weinberg. There are abrupt changes of mood and pace, from anxious and frenetic to calm, lyrically rich and at times full of pathos; his fate and the Jewish fate are never far from the surface. One can find klezmer references along the way, particularly towards the finale. It is salutary to realise that a man of only 26 should feel compelled to write music of, at times, searing intensity, rather than the youthful and happy music many young composers might like to compose. The Piano Trio makes for a hugely rewarding listening experience. It fully justifies the mounting regard which Weinberg’s music is finally achieving.

Trio Vivente have produced a most intelligent reading of all the works on this disc. Weinberg’s Piano Trio is the highlight for me but his songs too get remarkable performances. Kateryna Kasper, the young Ukrainian soprano, is a wonderful exponent. I have every admiration for her impressive and convincing achievement in singing in Yiddish. She is a powerful advocate. She also gives a magically beautiful performance of Shostakovich’s songs. They are not easy fare but she manages to inject just the right amount of darkness into them. None of my praise should detract from the excellent performance of Shostakovich’s youthful trio. The entire disc is highly recommended. Steve Arloff

Badische Zeitung, Freiburg 11.03.2022

Trio Vivente - Aktueller denn je
Das konnten die Musikerinnen des Klaviertrios Vivente bei der Aufnahme nicht ahnen – damals, 2020 im Stuttgarter Funkhaus des SWR: wie sehr die eingespielten Werke das heutige Empfinden einer Zeit, in der frühere Gewissheiten zersplittern, zum Ausdruck bringen würden. Nun ist die neue Scheibe in einer Co-Produktion von SWR und dem Label cpo erschienen – das Trio Vivente feiert mit dieser CD sein 30-jähriges Bestehen. Mit Stücken, die von Krieg, Verfolgung und Verlust künden. Auf diese Erfahrungen blickt Dmitri Schostakowitsch in den Sieben Romanzen op. 127 zurück. Und beschreitet bei der Vertonung von Texten des russischen Dichters Alexander Blok einen ganz eigenen Weg: Das Trio agiert erst beim Schluss in kompletter Besetzung – wo es um die Musik geht. Doch auch sie gewährt nur begrenzt Trost, mündet dieses Lied doch in den Tritonus, das Teufelsintervall. Cello und Gesang eröffnen den Zyklus. Die ukrainische, jetzt an der Frankfurter Oper beheimatete Sopranistin Kateryna Kasper singt Ophelias einsame, fragile Klage über den Kriegstod des Geliebten. Kaspers Stimme klingt selbst bei dramatischen Ausbrüchen warm und rund, wenn der Vogel Gamajun die unerbittliche Härte der Tyrannei prophezeit oder die Sturmnacht zur existenziellen Bedrohung wird. Jutta Ernst (Klavier), Anne Katharina Schreiber (Violine) und Kristin von der Goltz (Cello) setzen im Trio op. 24 des engen Schostakowitsch-Freundes Mieczysław Weinberg die (Klavier-)Toccata unter äußerste Spannung, wenn die Streicher rhythmisch dagegen halten. Weinberg, dessen Familie in Pogromen und dem Holocaust getötet wurde, schuf 1943 die „Jüdischen Lieder“ op. 13 auf Texte des polnischen Autors Itzhok Lejb Peretz. Alexander Oratovski hat sie 2004 für Sopran und Klaviertrio bearbeitet. Kateryna Kasper interpretiert die jiddischen Gesänge mit sehr viel Empathie. Schelmisch-Folkloristisches ist dabei. Das Lied „Der Brief des Waisen“ berichtet von Hunger und Einsamkeit.
Eine exzellente CD. Christine Adam

Elke Heidenreich

Lebensmelodien – Eine Hommage an Clara und Robert Schumann

Lesung mit Musik, Ungekürzte Lesung mit Elke Heidenreich

Hörbuch

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Empfohlen von: 

Emilie Mayer
Piano Trios op. 13 und 16 und Notturno op. 48

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WDR 3 TonArt, Juni 2017

CD-Rezension: Klaviertrios von Emilie Mayer
Im 19. Jahrhundert war der Einflussbereich der Frau klar definiert: Kinder, Küche, Kirche. Einige Frauen aber setzten sich über dieses Diktum hinweg, so auch die Komponistin Emilie Mayer. Wibke Gerking stellt eine neue CD mit ihren Werken vor. (Emilie Mayer: Klaviertrios op. 13 + 16 und Notturno; Trio Vivente; cpo 555 029-2)

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Fanny & Felix Klaviertrios
Fanny Hensel op. 11
Felix Mendelssohn Bartholdy op. 66

Edition Raumklang RK 2808(51 min, rec. 2009)

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nmz, Dezember 2013

... fesselnder Hörgenuss
„Fanny und Felix“
Trio Vivente spielt die Klaviertrios der Geschwister Mendelssohn
Das Trio Vivente musiziert zwei große Klaviertrios der Geschwister Mendelssohn, in den Kopfsätzen virtuos und mit mitreißendem Schwung, in den langsamen Sätzen poetisch und ausdruckstief, aber ohne jede Sentimentalität. Das präzise und harmonische Zusammenspiel und die differenzierte Klanggestaltung zwischen kammermusikalischer Delikatesse und fast schon orchestral empfundener Weite sind ein fesselnder Hörgenuss.
Reinhard Ardelt
„Fanny und Felix“
Trio Vivente: Jutta Ernst, Klavier
Anne Katharina Schreiber, Violine
Kristin von der Goltz, Violoncello
Fanny Hensel Klaviertrio op.11 d-moll
Felix Mendelssohn Bartholdy Klaviertrio op.66 c-moll
edition raumklang
nmz Dezember 2013

Neue Züricher Zeitung, 11.06.2010

Fanny, die verkannte Schwester
Fanny, die verkannte Schwester
frm. · Wenn Frauen in der Vergangenheit zur Feder griffen, wurde gerne abfällig von «Frauenzimmerarbeit» gesprochen. Wie sehr sich solche Urteile jeder sachlichen Kritik entziehen, zeigt das Klaviertrio in d-Moll op. 11 von Fanny Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Stück ist eine kammermusikalische Perle erster Güte und offenbart großes schöpferisches Vermögen. Nun hat das Trio Vivente eine Einspielung vorgelegt, die das bisher Gehörte um einen eigenen Akzent ergänzt. Denn es ist der fein dosierte Einsatz des Vibratos und der schlank-luzide Ton, den Anne Katharina Schreiber (Violine), Kristin von der Goltz (Cello) und Jutta Ernst (Klavier) pflegen. Dieser historisch informierte Klang - von der Goltz ist eine sensible Expertin auf diesem Gebiet - schafft eine reich kultivierte Transparenz, was auch für das Klaviertrio in c-Moll op. 66 von Felix Mendelssohn Bartholdy gilt. Es sind vor allem die langsamen Sätze, die davon profitieren: Hier gelingen dem Ensemble berührende, weit atmende Lieder ohne Worte. In den schnelleren Sätzen dagegen wäre zuweilen etwas mehr Biss denkbar, doch das Endergebnis wird dadurch nicht getrübt. Zudem zeigt diese CD, dass die bis heute «verkannte Schwester» - so der Titel einer lesenswerten Fanny-Biografie von Françoise Billard - den direkten Vergleich mit ihrem jüngeren Bruder nicht zu scheuen braucht.
Fanny Hensel: Klaviertrio op. 11; Felix Mendelssohn Bartholdy: Klaviertrio op. 66. Trio Vivente. Raumklang 2808 (1 CD).
Neue Zürcher Zeitung, 11.06.2010

HR2-Klassikzeit, 15.10.2009

...Die pure Lust!...
“Die Musik wird für Felix vielleicht zum Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass deines Seins und Tuns werden kann und soll...Du musst Dich ernster und emsiger zu Deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden...Nur das Weibliche ziert die Frauen.” Mit diesem Zitat Abraham Mendelssohns begrüße ich Sie zu unserem heutigen CD-Tipp hier in hr2-kultur. Und Sie ahnen es schon, liebe Hörerinnen und Hörer, die strengen Worte des Vaters richteten sich an die Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, an Fanny, vier Jahre älter, aber nicht weniger begabt als ihr Bruder, aber eben eine Frau. “Fanny&Felix” heißt das Album, das wir Ihnen heute empfehlen möchten, eingespielt vom Trio Vivente....das sind die Pianistin Jutta Ernst, die Geigerin Anne Katharina Schreiber und die Cellistin Kristin von der Goltz – und der Balance ihres Zusammenspiels merkt man an, dass die drei Frauen schon lange gemeinsam musizieren...Intensiv ist ihre Interpretation, so dass man meinen könnte, als Hörer genau mitten im Dreieck zu sitzen zwischen Geige, Cello und Klavier. Mal richtet man die Ohren auf die Streicher, mal aufs Klavier, dann wieder auf alle drei gleichzeitig – und manchmal hätte man gerne noch ein drittes Ohr dazu, so feinsinnig ausgespielt sind die Stimmen, ohne dass die drei Musikerinnen den Bogen dabei überspannen. Gleich zwei dritte Sätze hören sie jetzt, der eine aus Felix’ op.66, der andere aus Fannys op,11. Nicht um die beiden Werke zu vergleichen, sondern um Sie aufmerksam zu machen auf das nuancenreiche Klangspektrum des Trio Vivente. Und dabei werden Sie hören, dass die drei Musikerinnen auch die Tempobezeichnungen der Mendelssohn-Geschwister sehr ernst nehmen. Bei Felix “Scherzo. Molto allegro quasi presto” sollten sie sich gut festhalten, bei Fannys Lied ohne Worte Allegretto haben Sie genügend Atem zum Mitsingen....
.....Op.11, das legt den Trugschluss nahe, bei Fanny Hensels Klaviertrio handele es sich um ein Frühwerk der talentierten Musikerin. Das Gegenteil ist aber der Fall: ganze sechs Opus-Nummern waren kurz vor Ende ihres Lebens veröffentlicht, einige weitere, darunter das Klaviertrio, gab ihr Ehemann Wilhelm Hensel nach ihrem plötzlichen Tod im Jahr 1847 heraus, und ein Großteil ihrer rund 470 Kompositionen schlummert bis heute im Nachlass. Anfang 1846 erschien Felix Mendelssohns zweites Klaviertrio: Musik, die Fanny dazu beflügelt haben muss, den Stift ebenfalls in die Hand zu nehmen, um ein Jahr später ein eigenes Klaviertrio hervorzubringen. Felix’ op.66 und Fannys op.11 – zwei Kammermusikwerke, die man in doppelter Hinsicht als Geschwisterwerke verstehen kann, Werke, die aber gleichzeitig auch so individuell sind, wie Geschwister das eben sein können.
Exzellente Musiker mit höchsten Ansprüchen waren sie beide, und dass das Trio Vivente diesen mehr als gerecht wird, wird beim Hören der CD deutlich. “Behendes, feinfühliges Klavierspiel ergänzt durch Streichernoblesse – die pure Lust!” – so wurde das Spiel des Trios beschrieben. Dem kann man nur zustimmen....
Ein wahres Hörvergnügen – musikantisch und intelligent – Fanny und Felix hätten ihre Freude daran!
Adelheid Kleine

Audiophile Mélomane, November 2009

...l'atmosphère passionnelle...
Et si cet album était pour Fanny Hensel, née Mendelssohn-Bartholdy, l’occasion de sortir du purgatoire dans lequel elle croupit depuis trop longtemps ? Victime de l’orthodoxie machiste de son époque, cette grande musicienne a vécu toute sa vie dans l’ombre de son frère, l’illustre Félix. Heureusement, aujourd’hui, quelques rares éditeurs nous donnent la possibilité de juger de la qualité de son œuvre. C’est donc avec un intérêt tout particulier que l’on se penchera sur ce disque, d’autant que son écoute nous permet d’appréhender dans de parfaites conditions la personnalité musicale d’une femme qui mérite bien plus qu’un simple détour. Cela, considérant la manière dont il nous restitue son Trio pour piano et cordes en ré mineur, l’ensemble Vivente l’a bien compris. Jutta Ernst, Anne Katharina Schreiber et Kristin von der Goltz – respectivement piano, violon et violoncelle –, insufflent à sa musique une somme de qualité au sein de laquelle l’exaltation, l’affection et la poésie tiennent une part importante. Cette considération s’exprime non seulement dans la ligne du chant principal, mais aussi dans les motifs d’accompagnement les plus innocents. Artistiquement, nous sommes bien en présence de trois musiciennes en pleine possession de leurs moyens, chacune étant dotée d’un sens musical résistant aux épreuves dictées par un romantisme exigeant. Pour vous en convaincre, écoutez l’atmosphère passionnelle du premier mouvement, ou l’émouvante mélancolie alla Schubert de l’Andante espressivo, ou bien encore l’irrésistible vigueur du Finale, c’est purement fascinant. D’une approche sensiblement différente, le Trio pour piano et cordes en do mineur de son frère nous est bien plus familier (rappelons-nous le prodigieux enregistrement du Trio Wanderer paru chez Harmonia Mundi en 2007), et nous renseigne encore davantage sur les compétences de notre troïka féminine. Leur interprétation valorise de la manière la plus parfaite qui soit l’une des plus belles pages chambristes du compositeur, l’allégresse s’amourachant de la confidence dans une union aussi intense que mémorable. T. HERVÉ - 11/2009

klassik.com, 21.10.2009

Aufwühlend
Die unter dem Titel ‚Fanny & Felix‘ zusammengefassten, von dem Label Raumklang herausgegebenen Klaviertrios der beiden Mendelssohn-Geschwister sind nichts für schwache Nerven. Nach diesen atemlosen 51 Minuten Musik ist man froh, wenn die CD an ihrem Ende angelangt ist. Doch nicht etwa, weil die Interpretationen so gähnend langweilig sind, sondern weil sie sowohl ein hohes Maß an Aufmerksamkeit sowie innerer Beteiligung des Hörers einfordern. Nachdem man diese Aufnahme gehört hat, ist man nicht mehr die-/derselbe wie vorher – eigentlich das größte Kompliment, das man den beteiligten Musikerinnen machen kann. Was passiert da?
Im Zuge der diesjährigen Feierlichkeiten des Mendelssohn-Jubiläums konnte man – neben vielen anderen nichtssagenden Einlassungen – etwa die Einschätzung lesen, das Vorurteil, Mendelssohns Musik sei so klassizistisch glatt, rühre auch von einer bestimmten Art der musikalischen Interpretation her; man spielte Mendelssohn eben stets mit polierter (Klang-)Oberfläche. Das Trio Vivente scheint sich vorgenommen zu haben, dieses schiefe Mendelssohn-Bild gerade zu rücken. Nein: Ins Gegenteil zu verkehren! Weder ist Felix Mendelssohn Bartholdy hier der bestens ausgebildete, hoch gebildete Kompositionsmeister, dessen Werke keinerlei Widerhaken zu bieten haben. Noch ist Fanny Hensel, seine mindestens ebenso begabte Schwester eine Komponistin für den Salon, in dem die Musik nur nicht allzu aufregend sein darf. Weit gefehlt. Die beiden Klaviertrios sind Ausweise von künstlerischer Integrität, kompositorischer Meisterschaft und vor allem von höchstem Ausdrucksbedürfnis. Und genau das kommt in dieser schlichtweg atemberaubenden Einspielung zum Tragen wie sonst kaum.
Atemlos und sanglich
Die drei Damen des Trio Vivente widmen sich den Fanny Hensels d-Moll-Trio op. 11 und Felix Mendelssohn Klaviertrio c-Moll op. 66 mit höchster Spannung und interpretatorischer Differenziertheit. Die Geigerin Anna Katharina Schreiber und Kristin von der Goltz am Cello, beide versiert auf dem Gebiet der Alten Musik, zeigen eine artikulatorische Finesse und Lust an Gegensätzen, die man heute selten findet. Solche beinahe draufgängerische Unbedingtheit des Ausdrucks und der Ausformung musikalischer Charaktere bis ins Extrem, in der sich ein klarer künstlerischer Standpunkt äußert, gehört zu den – umso wohler tuenden – Ausnahmeerscheinungen des modernen ‚Markts der Interpretationen‘. Ebenso prägnant werden von der Pianistin Jutta Ernst die Ausdrucksgestalten im Klavierpart geformt. Technisch ebenso tadellos und sich dabei in das
expressive Ideal des Ensembles einfindend.
Bemerkenswert ist vor allem, wie von den Musikerinnen musikalische Gestalten modelliert werden, über die anderswo zugunsten der ‚großen Linie‘ hinweg musiziert wird. Das Trio Vivente versucht, jeder Phrase eine eigene Gestalt zu geben, artikulatorisch wie dynamisch. Dass es den drei Damen trotz dieser Kleingliedrigkeit expressiver Momente gelingt, einen imposanten Zug nach vorn zu entwickeln, gehört zu den hervorragenden Eigenschaften des Ensembles. Wunderbar, wie gespenstisch der Kopfsatz von Mendelssohns c-Moll-Trio hier klingt; geisterhafter als Beethovens „Geistertrio“ und unheimlicher als so manches Nachtstück von Schumann. Dazu trägt nicht nur die Anschlagskunst von Jutta Ernst bei, sondern vor allem auch die Klanggebung der Streicher, die mit hoch variblem Vibratoeinsatz und teilweise eisig fahlen Klangfarben für bebende Momente sorgen. Den Musikerinnen gelingen aber etwa in den Außensätzen von Fanny Hensels Trio so süffige Kantinen, teils mit hauchzarten Portamenti verbunden, dass dem Hörer ob dieser Kontraste auf einmal die Ausdruckswucht dieser Werke offenbar wird. Dafür ist das Trio Vivente kaum hoch genug zu loben.
Dass bei einer solch hoch expressiven interpretatorischen Darstellung manche Intonation nicht hundertprozentig sauber gelingt, stört kein bisschen. Denn der hinreißende Vortrag wird von Raumklang in einem Klanggewand serviert, der allen audiophilen Ansprüchen vollauf genügt. Die Klangfarben der Streicher, die mitunter mit ungeheurer Vehemenz in die Saiten gehen kommen ebenso ungeschönt beim Hörer an wie das enge, schnelle Vibrato, das manche Kantilene süß erstrahlen lässt. Man merkt deutlich, dass an der Balance der drei Stimmen nicht technisch gemauschelt wurde: Wo Jutta Ernst kräftig in die Tasten greift, geben die Streicherinnen alles, um hörbar zu bleiben. Dass damit kein Schönklang zelebriert wird, ist klar. Aber man gewinnt als Hörer ungemein. Einen bleibenden Eindruck nämlich, dass die Klaviertrios der Mendelssohn-Geschwister ungeahnte Ausdruckswelten erschließen. Wenn man nur so schonungslos in die Tiefen hinabsteigt wie das Trio Vivente.

Badische Zeitung, 30.09.2009

Die feine Leidenschaft
Die feine Leidenschaft
Die neue CD: Das Trio Vivente mit Werken von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy
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Sie sind seit 1992 das Trio Vivente: Anne Katharina Schreiber (l.), Jutta Ernst und Kristin von der Goltz Foto: BZ
Der Vater wollte sie zur Hausfrau verdonnern. Und "zu einer Autorschaft" habe sie "weder Lust noch Beruf", glaubte Bruder Felix in bester Chauvi-Manier erkannt zu haben. In der Familie Mendelssohn hatte Tochter Fanny, obwohl ihr bereits im Säuglingsalter "Bach’sche Fugenfinger" bescheinigt wurden, als Künstlerin und Komponistin einen eher schweren Stand. Wohl primär aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war. An Begabung fehlte es ihr nämlich nicht. Dies zeigt nun auch das Trio Vivente auf seiner neuen CD namens "Fanny & Felix", die das d-Moll-Klaviertrio op. 11 der älteren Schwester und das c-Moll-Trio op. 66 des Bruders zusammenspannt. Ein direkter Vergleich ist somit unschwer möglich.

Fanny Hensel, von der, man glaubt es kaum, nicht weniger als 466 Werke erhalten sind, reagiert auf das Opus des Bruders – der vom Klavier geprägte Beginn beider Trios macht das deutlich. Und doch beansprucht die damals über 40-jährige Schwester hier jederzeit kreative Autonomie für sich – nicht nur, wenn sie den dritten Satz unkonventionell mit "Lied" überschreibt. Ein Lied ohne Worte. Das bekanntlich mit Freiburger Beteiligung aufwartende Trio Vivente unterstreicht den hohen Qualitätsstandard des Komponierens bei beiden Werken. Durch ein Musizieren von drei Interpretinnen, bei denen glühende, leidenschaftliche Intensität aus jeder Note spricht. Konkret durch Jutta Ernsts so behende wie feinfühlige Klavierkunst und dazu die wunderbar lebendige Streichernoblesse von Anne Katharina Schreiber (Violine) und Kristin von der Goltz (Cello). Ergebnis ist ein bis in den letzten Winkel musikantisch durchgestaltetes farben- und nuancenreiches Kooperieren mit Referenzcharakter. Da wird das Zuhören zur Lust.
Die Musik Fanny Hensels verströmt Souveränität. Und der Bruder ist in diesem Werk von 1845 auch ganz bei sich selbst – etwa dort, wo er die für ihn so typische Elfenwelt berührt. Oder wo er, wie in einigen seiner Orgelsonaten, die diesem Klaviertrio zumindest in puncto Opuszahl unmittelbar vorausgehen, die Choralsphäre als Symbol des Religiösen bemüht. Welches Kirchenlied im Finale genau gemeint ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Man glaubt "Gelobet seist du, Jesu Christ" zu erkennen. "Fanny & Felix" – das bedeutet geschwisterliche Kammermusik auf romantischem Höchstniveau. Und zudem Werke der Reife.

Mit dem Programm dieser CD eröffnet das Trio Vivente morgen die Musiktage in der Schwarzwaldgemeinde St. Peter. Überdies erklingt im dortigen Fürstensaal das Klaviertrio op. 8 des Russen Dmitri Schostakowitsch.
– CD "Fanny & Felix". Trio Vivente. Raumklang RK 2808.

MDR Figaro, 28.09.2009

...kammermusikalische Entdeckungsreise...
"Fanny & Felix"

Dass Fanny Hensels Kompositionen denen ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy meist ebenbürtig sind, steht inzwischen auch für die Musikwissenschaft außer Frage. Felix schätzte Fanny übrigens außerordentlich, konnte sich dann aber doch nicht überwinden, die Konventionen der Zeit zu sprengen und sich offen zu Fannys Werk zu bekennen. Dennoch beendete ihr Tod auch Felix' Schaffenskraft, was ja auch einiges aussagt. Mit der vorliegenden CD gelingt dem Trio Vivente mehr als eine bloße Gegenüberstellung der Musik der komponierenden Geschwister. Die Musiker zeigen auf dem Album "Fanny & Felix" die Geistes- und Wesensverwandtschaft, die innige seelische und musikalische Beziehung der beiden. Auf hohem Niveau, mit Verve und großem Einfühlungsvermögen musiziert, schön abgestimmt zwischen den drei Einzelstimmen ist die CD eine kammermusikalische Entdeckungsreise in die Welt der Mendelssohns.

MDR Figaro/Take Five vom 28.09.2009

klassikheutezehn

Joseph Haydn
"Jacob's Dream", Hob. XV: Nrn. 18-20, 26, 31
Eigenart/Tacet CD 10290 (68 min, rec. 2001)

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Franz Schubert
Pianotrios B-flat major D 28 und D 898

Eigenart/Tacet CD 10350 (52'49 min, rec. 2004)

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Saarbrücker Zeitung, 23.04.2006

Schubert und das Klaviertrio

Viermal hat sich Franz Schubert der Gattung Klaviertrio zugewandt, am Beginn seines Schaffens 1812 mit einem Sonatensatz in B-Dur (D 28) und gegen Ende seines Lebens mit dem Notturno Es-Dur (D 897) in einem Satz sowie mit den zwei gewichtigen Trios in B- und Es-Dur (D 898 und 929). Die CD -Einspielung des "Trio Vivente" beim Stuttgarter Label "Tacet – EigenArt“ stellt den frühgenialen Entwurf des Sonatensatzes B-Dur dem großen Klaviertrio gleicher Tonart (D 898) aus den Wintermonaten 1827/28 gegenüber – eine Konstellation, die tiefe Einsichten in Schuberts kompositorische Entwicklung und in den biographischen Hintergrund gewährt, die zudem hochprofessionell von der an der Saarbrücker Musikhochschule lehrenden Pianistin Jutta Ernst und ihren Partnerinnen Anne Katharina Schreiber (Violine) und Kristin von der Goltz (Cello) interpretiert wird – bei akribischer Beachtung der Partiturhinweise und mit in einer Spielweise, die durch äußerst sparsame Pedalverwendung und vibratoarme Bogenführung die melodischen Linien hervorhebt.

PSa - crescendo-Magazin Juni/Juli 2005

...Noch nie ... so spritzig wie hier.

Ich war sehr gespannt, als ich diese CD mit Schubert-Trios in die Hand nahm, weil ich die Geigerin Anne Katharina Schreiber und die Cellistin Kristin von der Goltz als hervorragende Barock- und Klassikspezialisten kannte, u.a. vom Freiburger Barockorchester.
Die erste Überraschung war, dass sie nicht auf historischen Instrumenten spielen. Ich hätte aber gern gewusst, was für ein Klavier Jutta Ernst bei dieser Aufnahme spielt, denn es klingt zauberhaft. Die Streicher sowieso.
Die zweite, noch grössere Überraschung kam, als ich die CD auflegte und zuerst den Triosatz D 28 hörte, den Schubert mit 15 Jahren komponiert hatte — ein Stück, das normaler weise nicht ernst genommen und bei Einspielungen hinten versteckt wird. Hier aber erlebt man ein Stück allerfeinster Kammermusik, gar nicht unreif, sondern schon unverkennbar Schubert, von beseligender Balance zwischen Melancholie und Luzidität.
Das Hauptwerk ist trotzdem das Trio D 898 aus Schuberts letztem Lebensjahr. Vor zwei Jahren habe ich schon einmal eine herausragende Schubert-Aufnahme in 'crescendo' empfohlen, damals mit dem Wiener Klaviertrio. Diese steht ihr nicht nach, ist aber völlig anders. Sie ist heller timbriert, feiner, durchsichtiger, weniger angriffslustig. Während die Wiener bevorzugt mit Lautstärkendifferenzierung und Agogik gestalten, besticht das Trio Vivente besonders durch plastische Artikulation. Am Ende der Exposition im ersten Satz gibt es eine frappante Stelle, wo Klavier und Streicher gegeneinander Triolen und Quartolen spielen. Noch nie habe ich das so spritzig gehört wie hier.

PSa, 'crescondo' Juni/Juli 2005

mv - image hifi 3/2005

...entsagt jeglicher süffiger Schubert-Romantik ...

Fast sein ganzes musikalisches Leben liegt zwischen Schuberts Trio-Fragment D 28 und dem viersätzigen, in der selben Tonart verfassten Meisterwerk D 898. Da ließe sich wunderbar über biographische Verwerfungen spekulieren - nur würde dann der Platz fehlen, den die ausführliche Würdigung der meisterlich organischen Interpretation durch das Trio Vivente verdient. Die Violinistin Anne Katharina Schreiber und die Cellistin Kristin von der Goltz beschäftigen sich quasi hauptamtlich mit Alter Musik und sind Mitglieder des Freiburger Barockorchesters. Auf der vorliegenden Aufnahme spielen sie moderne Instrumente, doch die agile Bogentechnik und die unbeschwerte agogische Freiheit, mit der sie sich feine Tempoverschleifungen erlauben und Vibrato nur als Stilmittel einsetzen, verdanken sie ihrer barocken Herkunft. Auch die Pianistin Jutta Ernst entsagt jeglicher süffiger Schubert-Romantik und entlockt ihrem Flügel einen trocken perlenden Ton, der sich perfekt mit dem der Streicherinnen verbindet.

mv - image hifi 3/2005

Wolfgang Stähr - klassik heute 07.07.2005

...vollendete Transparenz des Zusammenspiels...

Anfang und Ende, den frühen und den späten Schubert, eine Talentprobe und einen Prüfstein für jeden Interpreten vereint diese CD. Zwei B-Dur-Trios: der im Autograph als "Sonate" überschriebene Allegro-Satz D 28 des 15jährigen Gymnasiasten und das wahrscheinlich im Todesjahr 1828 komponierte Klaviertrio D 898 – ein ungleiches Paar. Doch verblaßt das Jugendwerk keineswegs als "Einspielstück" oder "Lückenbüßer", jedenfalls nicht in der höchst eindrucksvollen Aufnahme des Trio Vivente. Die drei Musikerinnen verstehen es, den naiven Charme, die fragile Klangschönheit und die buffonesken Mozart-Anklänge dieser Schubertschen "Sonate" ins rechte Licht zu rücken und mit allen Feinheiten der Phrasierung auszukosten.
Verblüffenderweise gelingt es ihnen auch bei dem späten B-Dur-Trio, diese natürliche und scheinbar schwerelose Kunst des Musizierens zu bewahren – und so dem Komponisten und seiner Zeit, der kammermusikalischen Praxis der Wiener Soireen und Akademien, genauestens auf die Spur zu kommen. Die vollendete Transparenz des Zusammenspiels (das ganz wörtlich durchweg ein Spiel bleibt), der lichte, schlanke Klang, die leichte, fließende, rhythmisch beschwingte Bewegung – in allem spiegelt sich eine vergangene bürgerliche Kultursphäre, das gesellige, geistvolle, unternehmungslustige Milieu, dem Schubert angehörte oder zumindest doch zuneigte. Aber das Trio Vivente bietet ungleich mehr als nur das getreue Abbild einer versunkenen Epoche: Die Musikerinnen, die sowohl mit der alten als auch der modernen Musik bestens vertraut sind, entdecken in Schuberts B-Dur-Trio ein eigenes Zeitmaß, eine Zeiterfahrung, wie sie die meisten heute nur noch in außereuropäischen Kulturen zu finden glauben. Die endlos fortgesponnenen Kantilenen des "Andante", die repetitiven "Patterns" des Finales beginnen zu kreisen, zu schweben, wie in einer Meditation entleert und weitet sich der Geist, der Horizont dehnt sich aus, das empfindsame Spiel übersteigt seine Grenzen... ehe die Presto-Coda und das jähe Ende der CD den Hörer wieder zurück in die rauhe Wirklichkeit befördern.
Wolfgang Stähr 07.07.2005

Guy Wagner - pizzicato Luxemburg 09-2005

... sehr klar und fein artikuliert ...

Das Trio Vivente, bestehend aus den Damen Jutta Ernst, Klavier, Anne Katharina Schreiber, Violine, und Kristin von der Goltz, Cello, hat eine kluge Wahl getroffen: Es stellt das B-Dur-Trio von 1812, ein fast zwölfminütiges Allegro, in Beziehung mit dem großen Trio in der gleichen Tonart, das knapp ein Jahr vor Schuberts frühem Tode komponiert wurde: Gewiss, es liegen Welten zwischen beiden Werken, aber auch das Opus des 15-Jährigen, subtile Musik für den Hausgebrauch, ist schon unverkennbar. Hinter der anscheinenden Leichtigkeit dieses Allegros kann man Franzens Melancholie und innere Trauer erahnen. Man sollte ja auch nicht vergessen, dass dieses Werk aus dem Todesjahr seiner Mutter stammt. Diese kluge Darstellung beweist bereits, wie sensibel das Trio Vivente ist.
Ebenso sensibel, aber viel tiefschürfender ist die Aufnahme des Trios D.898, die sehr klar und fein artikuliert ist und in der die Stimmen prächtig gegeneinander abgewogen sind. Das führt zu wunderbaren 'Gesprächen' zwischen den Instru- menten. Vor allem aber: Vielleicht brauchte es eine so verhaltene, zurückhaltende, 'weibliche' Interpretation (siehe das ‚Andante un poco mosso’), um das ganze Ausmaß von Schuberts in Musik übertragene, vielschichtige wie zwiespältige Seelenleben auf eine so ergreifende Art zu erfahren.
Guy Wagner

Joseph Haydn
Klaviertrios II, Hob. XV: Nrn. 5, 6, 12 - 14

Eigenart/Tacet CD 10370 (75 min, rec. 2006)


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classictodayfrance.com, 03/2007

Jovialité et convivialité des Trios de Haydn
En comparant ce second volume d'une autre intégrale des trios de Haydn avec celle du Trio 1790 chez CPO, on se rend compte qu'on peut avoir musicalement raison en ayant musicologiquement tort. Certes le piano que touche Jutta Ernst n'existait pas du temps de Haydn, mais elle en fait un emploi avisé, n'abusant pas de la pédale et le maniant avec légèreté et fluidité. Comme les cordes ont de vraies sonorités (sans abus de vibrato), avec des lignes de chant et des élans, il est évident que les grands gagnants de l'opération sont Haydn lui-même, et les auditeurs. Le Trio Vivende a compris la simplicité, la jovialité et la convivialité des Trios de Haydn. Il trouve l'exacte manière d'y toucher sans trop appuyer. Avec le Trio 1790 nous avions de la porcelaine. Ici, nous trouvons de la Chantilly. Allégée certes, mais bien agréable.

hr2 "Klassik-Zeit" vom 15.03.2007

Was hat Frauenpower mit Schattenpflanzen zu tun?

"Was hat Frauenpower mit Schattenpflanzen zu tun? Letztere blühen im Verborgenen und zählen oft zu den schönsten. Joseph Haydns rund 40 Klaviertrios könnte man dazuzählen. Zu Unrecht leben sie im stillen Halbdunkel und nicht im hellen Licht wie viele seiner Sinfonien oder Streichquartette. Dabei fehlt es hier nicht an Witz und Charme und dem vielzitierten Haydnschen Einfallsreichtum. Erst recht, wenn so frischweg und aufmerksam musiziert wird wie von den drei Spielerinnen des Trio Vivente. Das sind Anne Katharina Schreiber (Violine), Kristin von der Goltz, (Violoncello) und Jutta Ernst (Klavier). Bereits mit ihrer ersten CD legten die drei Power-Frauen eine ungewöhnlich originelle und witzige Einspielung von Haydn-Trios vor. Jetzt präsentieren sie Folge zwei ihrer geplanten Gesamteinspielung, wieder beim Label EigenArt.
(...) Sehr lebendig - eben vivente, wie der italienische Ensemblename sagt - und mit viel Entdeckerfreude sind sie in Haydns Partituren unterwegs. Selten wird so stimmig phrasiert und mit so ausgefeilter Klangbalance musiziert. 1992 gegründet gilt das Trio Vivente inzwischen als Geheimtipp in der Kammermusikszene. Neben Haydn haben die Musikerinnen 2005 ein Album mit Schubert-Trios produziert und bekamen prompt einen Preis dafür, den Luxemburgischen Supersonic-Award.
Das neue Haydn-Album (...) umfasst die Trios der mittleren Schaffensperiode, der 1780er Jahre. Experimentierlaune führte Haydn zu sehr individuellen Ergebnissen, weg von der frühen Triosonate. Aus harmlosen Liebhaber- oder Salonstücken, die man als Klaviersonate mit Begleitung von Violine und Cello bezeichnen kann, werden echte Trios, denn die beteiligten Instrumente sind nun gleichberechtigte Partner. Bei dem Trio Nr. 12 in e-Moll schlägt Haydn im Kopfsatz zunächst auffällig herbe, leidenschaftliche Töne an. Und bevor dann das rasante Schlussrondo die letzten Grillen vertreibt, verbreitet ein Siciliano in E-Dur ein wenig Rokoko-Parfum. Feinsinnig, spontan und überzeugend - so klingt musikalische Frauenpower mit dem Trio Vivente. (...) Auf ganz eigene Art entdecken die drei Frauen Haydns witzige und spitzbübische Kammermusik. Man stellt sich "Papa Haydn" vor, wie er mit diebischer Freude die Verwirrungen seines Publikums genießt, und dann mit Unschuldsmiene und galantem Schritt in die geordnete Welt der Klassik zurückkehrt. (...)" Gisela Walther

pizzicato 03/2007

Haydn feminin

"Si Haydn désirait passer pour un compositeur élégant et plein d'esprit, il aura trouvé des interprètes féminines de choix sur ce récent enregistrement des Trios avec piano. Avec une diction claire, une légèreté emplie de grâce et un sens harmonique qui apporte une riche variété de sentiments, le Trio Vivente reste fidèle au texte et y apporte l'expérience acquise depuis leurs débuts, en 1922. L'ensemble est parfaitement soudé, le piano omniprésent et limpide ne cherche pas à dominer ses partenaires, mais dialogue avec elles et profite de leur soutien pour briller au long des passages virtuoses. Les trois musiciennes s'amusent avec goût à faire ressortir les détails expressifs de ces partitions éminemment classiques."
itb, pizzicato 03/2007